Herrschaft vor dem Zweiten Weltkrieg (1933–1939) - Code Novosti

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Herrschaft vor dem Zweiten Weltkrieg (1933–1939)

Errichtung der Diktatur
→ Hauptartikel: Machtergreifung und Gleichschaltung
Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg verfassungswidrig zunächst Blomberg zum neuen Reichswehrminister, da die NSDAP in Berlin Putschgerüchte gestreut hatte.[203] Erst danach vereidigte er Hitler und das übrige Kabinett und erlaubte ihm die geforderte Auflösung des Reichstags, um Neuwahlen zu ermöglichen. So wollte Hindenburg die politische Einigung der Rechtsparteien in einer von Deutschnationalen dominierten Koalitionsregierung erreichen. Demgemäß gehörten fast alle Minister im Kabinett Hitler zur DNVP. Der NSDAP gehörte außer Hitler nur Wilhelm Frick an, der mit dem Reichsministerium des Innern allerdings ein Schlüsselressort erhielt.[189] Zudem kontrollierte Hermann Göring als „Reichskommissar für das preußische Innenministerium“ die Polizei im größten deutschen Staat. Damit konnte die NSDAP die Innenpolitik bestimmen.[204]

Hitler soll schon beim Einzug in die Reichskanzlei gesagt haben: „Keine Macht der Welt wird mich jemals wieder lebend hier herausbringen.“[205] Bereits vor den Neuwahlen ging er daran, die Demokratie durch Notverordnungen und Verfassungsänderungen zu beseitigen. Den letzten Vorwand dafür lieferte ihm der Reichstagsbrand vom 27. Februar, den das NS-Regime als angebliches Startzeichen zu einem kommunistischen Aufstand ausgab. Die auf Hitlers Initiative von Frick verfasste und vom Kabinett einstimmig beschlossene „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ und die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ traten mit Hindenburgs Unterschrift bereits am 28. Februar in Kraft. Sie hoben die Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und das Briefgeheimnis auf und erlaubten willkürliche Verhaftungen für die gesamte Zeit des Nationalsozialismus. Die Reichtagsbrandverordnung begründete also den Ausnahmezustand, der bis 1945 nicht mehr aufgehoben wurde. Sie gilt daher als eigentliche „Verfassungsurkunde des Dritten Reiches“.[206]

Im folgenden Wahlkampf ließ Hitlers Regime viele Gegner, vor allem Kommunisten, einschüchtern, verhaften oder ermorden. Dennoch verfehlten NSDAP und DNVP bei der Reichstagswahl am 5. März die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit. Beim sogenannten Tag von Potsdam, der Reichtagseröffnung am 21. März, inszenierten NSDAP und Deutschnationale ihre Einigung unter ihrer Leitfigur Hindenburg. Das Ermächtigungsgesetz vom 23. März kam nur durch massiven Straßenterror, den illegalen Parlamentsausschluss aller KPD- und einiger SPD-Abgeordneter und nachträgliche Annullierung der KPD-Mandate zustande. Es erlaubte dem Regime für zunächst vier Jahre, Gesetze künftig direkt zu erlassen. Damit verzichtete der Reichstag auf seine Rolle als Gesetzgeber (Legislative), überließ diese der Regierung (Exekutive) und entmachtete den Reichspräsidenten. Das ermöglichte Hitlers Diktatur und die Gleichschaltung von Staat und Gesellschaft.[207] Das NS-Regime schaltete am 2. Mai, nach den Maifeiern des Vortags, die freien Gewerkschaften aus, gründete stattdessen am 10. Mai die Deutsche Arbeitsfront, verbot am 22. Juni die SPD, deren Abgeordnete als einzige gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten, erzwang bis zum 5. Juli die Selbstauflösung der übrigen Parteien und machte die NSDAP am 1. Dezember 1933 mit dem Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat zur einzigen Staatspartei. In diesem Prozess wirkten „Druck von ‚unten‘“ und Hitlers „persönliche Initiative“ zusammen.[208]


Wahlwerbung zur Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs am 19. August 1934
Am 30. Juni 1934 befahl Hitler unter dem Vorwand eines angeblichen, von Ernst Röhm geplanten Putsches die Ermordung von 150 bis 200 möglichen oder wirklichen Konkurrenten und Rivalen inner- und außerhalb der NSDAP. Sein Kabinett legalisierte die Morde am 3. Juli 1934 mit dem Staatsnotwehrgesetz[209] als „Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe“.[210] Am 13. Juli 1934 versprach Hitler der Reichswehr erneut, sie bleibe die einzige Waffenträgerin des Staates.


Hitler bei einer Parade auf dem Nürnberger Hauptmarkt anlässlich des Reichsparteitages im September 1935
Am 1. August 1934, als der Tod Hindenburgs absehbar wurde, vereinigte das Kabinett dessen Reichspräsidentenamt per Gesetzesbeschluss mit dem Kanzleramt und übertrug „die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“. Am selben Tag gab Blomberg, ohne von Hitler dazu aufgefordert zu sein, bekannt, nach dem Ableben Hindenburgs die Soldaten der Wehrmacht auf den neuen Oberbefehlshaber vereidigen zu lassen.[211] Bisher waren alle Soldaten auf die Weimarer Verfassung vereidigt worden. Am 2. August, Hindenburgs Todestag, ordnete Hitler in einem Erlass an, ihn künftig „im amtlichen und außeramtlichen Verkehr wie bisher“ mit diesem Doppeltitel anzureden, da der Titel „Reichspräsident“ mit Hindenburgs Namen „unzertrennlich verbunden“ sei.[212] Die Ämtervereinigung bejahten am 19. August in der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs 89,9 Prozent derer, die gültige Stimmen abgegeben hatten. Dennoch enttäuschte das Abstimmungsergebnis die NS–Führung, weil es keineswegs so beeindruckend ausgefallen war, wie sie es angesichts von offenem Druck und Manipulation erwartet hatte.[213]

Kabinettssitzungen verloren zunehmend an Bedeutung. 1935 kamen die Minister zwölfmal, 1937 sechsmal, am 5. Februar 1938 letztmals zusammen.[214] Bis 1935 hielt sich Hitler an einen einigermaßen geordneten Tagesablauf in der Reichskanzlei: vormittags, ab 10 Uhr, Besprechungen mit Hans Heinrich Lammers, Meissner, Walther Funk und verschiedenen Ministern, Mittagessen um 13 oder 14 Uhr, nachmittags Besprechungen mit militärischen oder außenpolitischen Beratern oder bevorzugt mit Albert Speer über Baupläne. Allmählich wich Hitler von diesem festen Tagesablauf ab und pflegte wieder seinen früheren Bohème-Lebensstil. So erschwerte er seinen Adjutanten, von ihm als Staatsoberhaupt Entscheidungen zu erhalten. Die Minister (außer Goebbels und Speer) erhielten keinen Zugang mehr zu Hitler, falls sie keinen guten Kontakt zu dessen Adjutanten besaßen, die so große informelle Macht erlangten.[215]

Ausweitung des Hitlerkults
1933 wurde der Hitlerkult zum Massenphänomen, bei dem Erwartungen der Bevölkerung und NS-Propaganda zusammenwirkten.[216] Hitlers Herrschaft war von Beginn an „extrem personalisiert“: Er hatte kein Politbüro wie Josef Stalin, keinen Kriegsrat und keinen Großrat wie Mussolini.[217] Er ließ auch keinen Länderrat oder Parteisenat als Gegengewicht zu und ersetzte das Kabinett nicht, nachdem es nicht mehr zusammengetreten war. Der Hitlergruß wurde 1933 für Beamte zur Pflicht gemacht und von großen Bevölkerungsteilen freiwillig übernommen.

Hitlers Politik stieß in weiten Teilen der Bevölkerung auf wachsende Zustimmung. Die realen oder scheinbaren Erfolge des Regimes – Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, Überwindung des Versailler Vertrags und die innenpolitische Konsolidierung sowie später die zunächst spektakulären Siege zu Beginn des Zweiten Weltkriegs – schrieb die NS-Propaganda Hitler allein zu. Dadurch dehnte sie den Führerkult vom Parteimerkmal zu einem nationalen Kult aus und stärkte Hitlers Position gegenüber den konservativen Eliten und dem Ausland.[218]


Als einer der ersten Orte verlieh die Gemeinde Gau-Odernheim Hitler bereits am 25. Mai 1932 ein halbes Jahr vor der Regierungsübernahme ihre Ehrenbürgerwürde, die 2007 entzogen wurde.

Propagandastücke im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden
Die fehlende Kritik nutzte Hitler zum weiteren Ausbau des schrankenlosen Führerstaates. Dieser wurde 1939 vollendet, als alle Beamten und Soldaten einen persönlichen Führereid ablegen mussten.[219] Die NS-Rechtslehre legitimierte dies, indem sie Verfassungsrecht mit dem an keiner Rechtsidee messbaren Führerwillen gleichsetzte.[220] Schon seit 1934 als „Führer und Reichskanzler“ angeredet, war der Titel „Führer“ ab 1941 ausschließlich Hitler vorbehalten. Dadurch, so die Germanistin Cornelia Schmitz-Berning, habe sich der Begriff allmählich zum Eigennamen entwickelt.[221]

Der Hitlerkult wurde im deutschen Alltag allgegenwärtig, etwa durch Umbenennung vieler Straßen und Plätze nach Hitler,[222] durch die Verleihung der Ehrenbürgerschaft, einen Adolf-Hitler-Koog als Musterbeispiel für die staatliche Blut-und-Boden-Ideologie,[223] dörfliche „Hitlereichen“ und „Hitlerlinden“, kommerziell vermarktete Hitlerbilder, ab 1937 auch staatliche Briefmarkenserien und Besucherandrang in Obersalzberg. Diese Verehrung überstieg den Personenkult um Bismarck bei weitem. Für kritische Zeitgenossen wurde es immer schwieriger, sich davon zu distanzieren.[224] Hitler zeichnete andere mit seinem Namen aus, etwa ab 1937 durch die Vergabe des Titels Adolf-Hitler-Schule an NS-Ausleseschulen.[225]

Dem kamen weite Gesellschaftsbereiche freiwillig entgegen: So förderte die deutsche Industrie mit der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft ab 1. Juni 1933 den „nationalen Wiederaufbau“ bis 1945 mit rund 700 Millionen Reichsmark für die NSDAP, über deren Verwendung Hitler frei entscheiden konnte. Dafür stiftete er 1937 den „Adolf-Hitler-Dank“, eine jährliche Spende von einer halben Million Reichsmark „für besonders verdiente, notleidende Parteigenossen“.[226] Hitler wurde Ehrenbürger vieler deutscher Städte; einige entzogen ihm die Ehrenbürgerschaft nach seinem Tod wieder oder erklärten sie für beendet.

Der Hitlerkult gilt Historikern als Kennzeichen einer „charismatischen Herrschaft“, die bürokratische Instanzen nicht ersetzte, sondern überwölbte und so vielfach Kompetenzstreit zwischen Parteihierarchie und Staatsapparat erzeugte. Rivalitäten von NS-Behörden, die in Wettläufe um das vorauseilende Erfassen des „Führerwillens“ eintraten, erforderten wiederum immer mehr autoritative tagespolitische Entscheidungen Hitlers. Dieser ließ jedoch viele Konflikte unentschieden, um seinen Ruf als über den Alltagskonflikten stehender, unfehlbarer, genialer Alleinherrscher nicht zu beschädigen, und trug so zur Aushöhlung einer funktionierenden Staatsverwaltung bei.[227] Mit dem Wachsen des Hitler-Mythos sank zugleich das Ansehen der NSDAP.[228]

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und der ersten Wahl zum „Großdeutschen Reichstag“ am 10. April 1938 mit 99,1 % Zustimmung war das Prestige des Diktators abermals gestiegen und die Konsensbasis seiner Herrschaft vermutlich nie größer.[229] Der Überfall auf Polen war bei den Deutschen nicht populär. Kershaw zufolge erreichte Hitlers Popularität trotzdem nach dem siegreichen „Blitzkrieg“ gegen Frankreich einen neuen Höhepunkt, ging 1941 nur allmählich zurück und stürzte erst nach der Niederlage in Stalingrad 1943 rasch ab.[230] Götz Aly dagegen folgerte 2006 aus neuen Indikatoren eines von ihm geleiteten Forschungsprojekts, dass Hitlers Popularität schon vor dem Polenfeldzug stark abnahm, sich nach dem Westfeldzug 1940 kaum erholte und ab dem Überfall auf Russland rapide abnahm.[231]

Privatleben

Eva Braun und Adolf Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg, 14. Juni 1942
Im persönlichen Gespräch ließ er sich als „Mein Führer“ anreden. Enge Freunde Hitlers durften seit etwa 1921 das Pseudonym „Wolf“ verwenden,[232] das sich an die Etymologie seines Vornamens Adolf anlehnte.[233] Im Krieg ließ Hitler einige Führerhauptquartiere danach benennen.

Zwischen 1926 und 1931 korrespondierte er vertraulich mit Maria Reiter, einer Urlaubsbekanntschaft, lehnte aber ihren Ehewunsch ab. 1928 hatte er im Berchtesgadener Ortsteil Obersalzberg ein Landhaus gemietet, in das seine Halbschwester Angela Raubal und deren beide Töchter Angela (gen. Geli) und Elfriede einzogen. 1929 ließ er seine Halbnichte Geli in seine Münchner Wohnung einziehen und zwang sie, eine Liebesbeziehung zu seinem Chauffeur, Emil Maurice, zu beenden. Am 19. September 1931 wurde sie mit seinem Revolver erschossen aufgefunden; ein Suizid wurde angenommen. Hitler nutzte dies zur Selbstdarstellung gegenüber Parteifreunden: Er wolle in Zukunft nur noch uneigennützig dem Wohl des deutschen Volkes dienen.[234]

Seit Januar 1932 kamen Gerüchte auf, dass Hitler mit Eva Braun, einer Angestellten seines Fotografen Heinrich Hoffmann, ein intimes Verhältnis habe. Eine Ehe mit ihr lehnte er ab. Im Jahresverlauf unternahm sie mehrere Selbstmordversuche. Daraufhin ging er ein festeres Verhältnis mit ihr ein, das er jedoch bis zu seinem Tod gegenüber der Öffentlichkeit geheim hielt.[235]

Hitler war seit seiner Jugendzeit Nichtraucher und trank keinen Alkohol, später auch keinen Kaffee und Schwarztee. Ab 1932 ernährte er sich aus Furcht vor einer Magenkrebserkrankung vegetarisch. Diese Ernährungsgewohnheit behielt er als Reichskanzler bei und thematisierte sie in Monologen vor dem engsten Anhängerkreis auch als Mittel für die nationalsozialistische Gesundheitspolitik nach dem Krieg.[236]

Seit dem Ersten Weltkrieg mochte und hielt Hitler Hunde.[237] Oft ließ er sich mit seiner Schäferhündin Blondi vor idyllischen Landschaften abbilden, um so seine private angebliche Tierliebe und Naturverbundenheit vorzuführen, den Deutschen Identifikation zu ermöglichen und eine verbreitete Sehnsucht nach Harmonie zwischen Führer und Geführten zu bedienen.[238]

Hitler lehnte Hochschulen, Professoren („Profaxe“) und etablierte Wissenschaft lebenslang ab und eignete sich Detailwissen autodidaktisch an. Er konnte sich gelesene Informationen auch in Details dauerhaft merken und flocht sie bei Bedarf ohne Herkunftsangaben in Reden, Gespräche oder Monologe ein, um sie als eigene Ideen auszugeben.[239] Er besaß 16.000 auf drei Privatbibliotheken verteilte Bücher, von denen noch rund 1.200 erhalten sind. Etwa die Hälfte davon sind militärische Gebrauchsliteratur, über zehn Prozent haben rechte Esoterik, Okkultismus, deutschnationale und antisemitische Themen zum Inhalt. Nur wenige Werke gehören zur schönen Literatur, darunter Ausgaben der Dramen William Shakespeares, etwa Julius Caesar und Hamlet.

Nach einer Liste des Starnberger Zahnarztes und Mitglieds der Thule-Gesellschaft Friedrich Krohn, dessen Bibliothek vor allem völkischer Schriften Hitler während der Jahre 1919 bis 1921 nutzte, lieh sich Hitler eine Reihe ganz unterschiedlicher Werke aus, von Leopold von Ranke über Berichte zur Russischen Revolution bis zu Werken von Montesquieu, Rousseau, Kant, Schopenhauer und Oswald Spengler, nicht zuletzt aber antisemitische Schriften von Houston Stewart Chamberlain, Henry Ford, Anton Drexler, Gottfried Feder und Dietrich Eckart. Während seiner Haftzeit in Landsberg soll sich Hitler mit Karl Marx, Friedrich Nietzsche, Heinrich von Treitschke und Otto von Bismarck beschäftigt haben. Anstreichungen und Randnotizen zeigen Hitlers Leseverhalten.[240] Er beherrschte keine Fremdsprache außer etwas Französisch seit seiner Linzer Realschulzeit.[241] Auslandspresseberichte musste er sich von seinem Chefdolmetscher Paul-Otto Schmidt übersetzen lassen.

Vom 1. Mai 1920 bis 5. Oktober 1929 wohnte Hitler in München in der Thierschstraße 41 im Stadtteil Lehel. 1929 zog er in eine 9-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Bogenhausen, Prinzregentenplatz 16. Heute befindet sich in dem Gebäude eine Polizeiinspektion. Die Wohnung wurde von Hitler ab 1934 kaum mehr genutzt, war jedoch weiterhin seine offizielle Meldeadresse.

Hitler kaufte im Sommer 1933 das Haus Wachenfeld am Obersalzberg bei Berchtesgaden und ließ das Anwesen bis Mitte 1936 zum „Berghof“ umbauen.[242]

Verfolgungen
Nach dem Straßenterror der SA in der Weimarer Republik begann mit Hitlers Machtantritt eine systematische, gewaltsame Verfolgung politischer Gegner der NSDAP unter dem Schlagwort der „nationalen Revolution“. So ließ die SA ab Januar 1933 Konzentrationslager einrichten. Die staatlichen Internierungen, Misshandlungen und Morde trafen seit der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 Kommunisten, Sozialdemokraten, Pazifisten, Zeugen Jehovas, konservative NS-Gegner und andere Deutsche, die Kritik äußerten oder sich widersetzten (→ Mitglieder des Widerstandes), sowie vor allem Juden. In den folgenden Jahren wurden die Verfolgungen auf verschiedene christliche Gruppen, Behinderte, Homosexuelle, vermeintlich Asoziale und „Fremdrassige“ ausgeweitet.

Hitler hatte keinen „Meisterplan“ für die staatliche „Judenpolitik“,[243] sondern reagierte oft kurzfristig auf den Druck von NSDAP-Mitgliedern[244] mit Gesetzesinitiativen. Deren erkennbares Ziel war die im NSDAP-Programm festgeschriebene Ausgrenzung und Vertreibung der deutschen Juden. Hitler bereitete den „Judenboykott“ vom 1. April 1933 direkt mit vor, trat aber nach außen nicht als dessen Initiator und Organisator auf. Er beriet das am 7. April erlassene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (zum Ausschluss „nichtarischer“ Beamter) mit und entschied sich aus Rücksicht auf die politischen Bedingungen für eine gemäßigtere Fassung.[245] Daraufhin schlossen auch viele Berufsverbände Juden aus. Dem folgten zahlreiche weitere, auch nichtstaatliche Ausgrenzungsschritte. Hitler schwebte schon 1933 eine konsequente Ghettoisierung der Juden und ihre räumliche Ausgrenzung vor: Sie müssten „heraus aus allen Berufen […], eingesperrt in ein Territorium, wo sie sich ergehen können […], während das deutsche Volk zusieht, wie man wilde Tiere sich ansieht“.[243]

Auch die Nürnberger Gesetze von 1935, die den deutschen Juden die staatsbürgerlichen Rechte entzogen und „Mischehen“ sowie sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden als „Rassenschande“ mit Gefängnis oder Zuchthaus bedrohten, wurden durch Terror aus der Parteibasis angebahnt und sollten diese zufriedenstellen. Hitler bereitete sie monatelang mit vor, sodass er sich beim Nürnberger Reichsparteitag im August anderen Themen zuwenden konnte. Er strich die Begrenzung auf „Volljuden“ im Gesetzentwurf noch unmittelbar vor dessen Bekanntgabe am 15. September.[246]

Die Judenverfolgung trat zwar 1936 wegen Sommer- und Winter-Olympia und 1937 in den Hintergrund. Doch als Hitler am 9. November 1938 vom Tod des angeschossenen Botschaftssekretärs Ernst Eduard vom Rath erfuhr, beriet er sich sofort mit Goebbels und autorisierte ihn, das Attentat als Vorwand für die bereits geplanten deutschlandweiten Novemberpogrome auszunutzen. Dabei wurden Hunderte Juden ermordet, Zehntausende in KZs interniert und enteignet und Tausende Synagogen und jüdische Friedhöfe zerstört.[247] US-Präsident Franklin D. Roosevelt verschärfte daraufhin den Ton gegenüber Deutschland.[248] Hitler übertrug die weitere „Judenpolitik“ Hermann Göring, Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich. Diese unterbanden den „spontanen“, unkontrollierten Straßenterror endgültig, indem sie die Juden gesetzlich wie Kriminelle behandelten und etwa mit der „Judenbuße“ für die Schäden der Novemberpogrome aufkommen ließen.

Hitler sagte in einer auch für das Ausland bestimmten Reichstagsrede zum sechsten Jahrestag seines Amtsantritts am 30. Januar 1939:

„Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“[249]

Baupolitik
→ Hauptartikel: Architektur im Nationalsozialismus

Hitler beim ersten Spatenstich am 23. September 1933 zur angeblich ersten Autobahn
Hitler gab sich mit einem inszenierten Spatenstich am 23. September 1933 fälschlich als Erfinder und Planer der Reichsautobahnen aus und ließ deren Ausbau als „Hitler-Programm“ zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit propagieren. Tatsächlich waren die ersten zwei Autobahnen vor 1933 gebaut und weitere geplant worden. Der Weiterbau in der NS-Zeit beschäftigte meist nur Zehntausende, maximal 125.000 Arbeiter, die abkommandiert, zum Arbeiten für Niedriglöhne gezwungen und bei Weigerung in KZs inhaftiert wurden. Das Programm wurde 1941 wegen der Einziehung der Arbeiter für den Kriegsdienst unvollendet eingestellt. Hitlers Versprechen einer Massenmobilität blieb uneingelöst. Dennoch bestand das Klischee nach 1945 fort, er habe die Arbeitslosigkeit mit dem Autobahnbau bis 1938 erfolgreich beseitigt.[250]

Hitler plante seit 1933, Berlin bis 1950 als „Hauptstadt des germanischen Reichs deutscher Nation“ völlig umzugestalten und in „Germania“ umzubenennen. Dazu ernannte er Albert Speer 1937 zum „Generalinspekteur für die Neugestaltung der Reichshauptstadt“. Speer entwarf im Zuge der Germania-Planungen für den sich in der Öffentlichkeit gerne bescheiden gebenden Hitler auch einen gigantischen „Führerpalast“ im Spreebogen. Von den geplanten Monumentalbauten wurde 1939 nur die Neue Reichskanzlei fertiggestellt.[251] Die Stadt sollte von einem Autobahnring umgeben und von zwei schnurgeraden, kreuzungslosen, breiten, für Aufmärsche geeigneten Prachtstraßen durchquert werden. Der Bau eines Tunnels zur Unterquerung der Nord-Süd-Achse wurde 1939 begonnen, aber 1942 wegen Materialmangels im Krieg eingestellt.[252] Hitler ließ sich als „genialer Baumeister“ des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg ausgeben und mischte sich mit seinen Ideen, Skizzen und Besuchen in die Planung ein, segnete tatsächlich aber meist nur Initiativen anderer NSDAP-Stellen ab.[253]

Kirchenpolitik
→ Hauptartikel: Kirchenkampf
Gemäß der machttaktischen Bejahung des Christentums hatte Hitler Vertreter des Neuheidentums wie Artur Dinter 1928 aus der NSDAP ausgeschlossen und Alfred Rosenberg 1930 gezwungen, sein antikirchliches Buch Der Mythus des 20. Jahrhunderts als Privatansicht zu kennzeichnen. Zugleich hatte er planmäßige Versuche von NSDAP-Mitgliedern zugelassen, das Christentum an die NS-Rassenideologie anzugleichen. Dazu gründeten diese 1932 die Kirchenpartei Deutsche Christen (DC).[254]

Hitlers erste Regierungserklärungen (1. Februar, 23. März 1933) betonten, er werde das Christentum als „Basis unserer gesamten Moral“ schützen, „tiefe, innere Religiösität“ ermöglichen, die Staatsverträge beider Kirchen einhalten, ihnen in Schule und Erziehung angemessenen Einfluss zugestehen, den „Bolschewismus“ und atheistische Organisationen bekämpfen und freundschaftliche Beziehungen zum Vatikan ausbauen. Die Großkirchen seien die „wichtigsten Faktoren zur Erhaltung unseres Volkstums“. Dafür sollten sie sich am Kampf gegen die „materialistische Weltauffassung“ und am Aufbau der „Volksgemeinschaft“ beteiligen.[255] Er schloss mit dem Vaterunser nachempfundenen liturgischen Gebetsformeln und mit „Amen“. Beim inszenierten „Tag von Potsdam“ (21. März) knüpfte er an preußische Staatskirchentradition an und zerstreute zugleich katholische Sorgen vor einem neuen „Kulturkampf“.[256]

Wegen dieser gezielten NS-Propaganda und ihrer eigenen antidemokratischen Tradition bejahten beide Großkirchen die Aufhebung der Demokratie. Die katholische Zentrumspartei unter Ludwig Kaas stimmte am 23. März für das Ermächtigungsgesetz. Die deutschen katholischen Bischöfe hoben die 1931 erklärte Unvereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus am 28. März auf und erlaubten Katholiken den Beitritt zur NSDAP.[257] Die meisten evangelischen Landeskirchen begrüßten die „nationale Wende“ und ließen Fürbitten zu Hitlers Geburtstag verlesen, ohne die Opfer der NS-Gewaltpolitik zu erwähnen.[258]

Bis zum 20. Juli handelte Hitler mit dem Vatikan ein Reichskonkordat nach dem Vorbild der Lateranverträge Mussolinis von 1929 aus. Es untersagte politische Betätigung katholischer Kleriker und Parteien und sicherte den Bestand der katholischen Lehre, Bekenntnisschulen, rein religiöse, karitative und kultische Vereine und Verbände zu. Deren konkrete Festlegung unterblieb, weil die Selbstauflösung der Zentrumspartei (5. Juli) den raschen Vertragsabschluss erzwang.[259] In einem geheimen Zusatzprotokoll vereinbarte Hitler mit den Bischöfen einen Militärseelsorgevertrag, falls Deutschland die Wehrpflicht wiedereinführen werde.[260]

Um alle evangelischen Landeskirchen in einer „Reichskirche“ gleichzuschalten, berief Hitler am 25. April den ostpreußischen Militärpfarrer Ludwig Müller (DC) zum „Bevollmächtigten“ für evangelische Angelegenheiten und ernannte am 24. Juni August Jäger zum „Staatskommissar“ für die Landeskirchen in Preußen. Jäger ersetzte alle Kirchenleiter, die gegen staatliche Übergriffe protestierten, mit DC-Vertretern. Nach heftigen Protesten und einem von Hindenburg vermittelten Treffen nahm Hitler Jägers Maßnahmen zurück. Die am 11. Juli gebildete Deutsche Evangelische Kirche (DEK) verpflichtete sich dafür zu Kirchenwahlen am 23. Juli. Am Vorabend warb Hitler im Rundfunk massiv für die DC, die daraufhin die Leitung der meisten evangelischen Landeskirchen errangen.[261] Nach Gesprächsprotokollen von Zeitzeugen lehnte Hitler das Christentum jedoch im Juli 1933 als „jüdischen Schwindel“ ab. „Deutsches Christentum“ sei Krampf und Illusion. Man könne nur entweder Christ oder Deutscher sein. Sein Eintreten für die DC war demnach nur machtpolitisch motiviert.[262]

Am 5. September wählten die DC Müller zum Reichsbischof und führten in Preußen ein zum Arierparagraphen analoges Gesetz ein, das Judenchristen aus der Landeskirche ausschloss. Infolge der Sportpalast-Kundgebung (13. November 1933) verloren sie viele Mitglieder und ihre Einheit. Daraufhin setzte Müller ihre Sprecher ab, unterstellte die evangelische Jugend im Dezember widerrechtlich der Hitlerjugend und verbot im Januar 1934 alle innerkirchliche Kritik an seiner Führung. Damit verlor er seine Autorität in der DEK. Im folgenden Kirchenkampf zerbrach deren organisatorische Einheit; der Arierparagraph ließ sich in ihr nicht mehr durchsetzen.[263]

Hitler nötigte die DC-Gegner am 25. Januar 1934 mit Vorführen abgehörter Telefonate Martin Niemöllers zunächst, sich staatsloyal zu zeigen und Müller als Reichsbischof zu akzeptieren. Im März ernannte er den ehemaligen Freikorpskämpfer Franz von Pfeffer zum „Sonderbeauftragten für Kirchenfragen“, am 12. April Jäger zum „Rechtswalter“ der DEK. Deren Versuche, die Gleichschaltung der Landeskirchen durch Absetzen gewählter Landesbischöfe zu erzwingen, scheiterten am Widerstand der DC-Gegner. Am 30. Mai 1934 gründeten diese die Bekennende Kirche (BK), deren von Karl Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung nur einen Rechtsstaat als dem Evangelium gemäß definierte und totalitäre Staatsideologien als Häresie verwarf. Im Oktober schuf ein Teil der BK eigene Verwaltungsstrukturen. Londoner Vertreter der Ökumene drohten mit dem Abbruch der Beziehungen zur DEK. Infolge der starken in- und ausländischen Proteste setzte Hitler Pfeffer und Jäger Ende Oktober 1934 ab, sagte die geplante Vereidigung aller evangelischen Bischöfe auf sich ab und erkannte die Bischöfe Hans Meiser, Theophil Wurm und August Marahrens als rechtmäßige Kirchenvertreter an. So inszenierte er sich als Schlichter des Streits in der DEK.[264]

Parallel dazu stärkte Hitler 1934 die kirchenfeindlichen Kräfte in der NSDAP: Er ernannte Alfred Rosenberg zum „Weltanschauungsbeauftragten“ (Januar), ließ beim „Röhmputsch“ auch einige engagierte Katholiken ermorden (Juli), den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) einrichten und dessen Hauptamt nach Berlin verlegen (Dezember). Die SD-Zentralabteilung für „weltanschauliche Auswertung“ bespitzelte beide Großkirchen und bekämpfte ihren öffentlichen Einfluss zugunsten neuheidnischer Religiosität. Im Anschluss an Vorschläge von Staatssekretär Wilhelm Stuckart (Januar 1935) lehnte Hitler den Rückzug des Staates aus kirchlichen Belangen jedoch ab und bevorzugte abwartende Neutralität und verschärfte Aufsicht des Staates über die Kirchen. Dazu ernannte er Hanns Kerrl zum „Reichskirchenminister“ (Juli). Dieser erließ ein „Gesetz zur Sicherung der DEK“ (September), das die Tätigkeit der BK mit 17 Durchführungsverordnungen bis 1939 stark begrenzte und den DEK-Teilkirchen unter anderem die Verfügung über ihre Geldmittel und Rechtsverfahren entzog. Mit Vertretern aller Richtungen besetzte staatliche „Kirchenausschüsse“ sollten die DEK organisatorisch einen. Kerrl verfehlte dieses Ziel, spaltete aber die BK in Befürworter und Gegner seiner Ausschüsse (Februar 1936).

Infolge wachsender Proteste gegen Kerrl setzte Hitler am 15. Februar 1937 überraschend Neuwahlen in der DEK an, angeblich um ihr eine autonome Kirchenverfassung zu gewähren. Da Teile der DEK mit einem Wahlboykott drohten, wurde der Wahltermin mehrmals verschoben und im November abgesagt. Die Gestapo nahm bis zum Jahresende zahlreiche BK-Vertreter und katholische NS-Gegner fest. Im Dezember übertrug Kerrl die DEK-Leitung dem Juristen Friedrich Werner. Dieser schränkte kirchliche Publizistik, Ausbildung und Finanzierung fortlaufend weiter ein und entzweite die BK, indem er von allen Pfarrern Preußens einen Treueid auf Hitler verlangte (April 1938). Die meisten BK-Vertreter bejahten den Eid als rechtmäßige Staatsforderung, aber Hitlers Stellvertreter Martin Bormann schrieb an alle NSDAP-Gauleiter, der Eid sei innerkirchlich und freiwillig (Juli). Indem das NS-Regime dies im September bekannt werden ließ, schwächte es die Autorität der BK-Leitung erheblich. Kerrl versuchte 1939 wiederholt, alle DEK-Führer auf eine Erklärung zur „dem deutschen Volke artgemäßen nationalsozialistischen Weltanschauung“ und zum „unerbittlichen Kampf gegen den politischen und geistigen Einfluß der jüdischen Rasse“ zu verpflichten. August Marahrens unterschrieb die Erklärung im Juli eigenmächtig für den Lutherrat, der damit ebenfalls Autorität in der BK verlor.[265]

Nach dem Anschluss Österreichs (März 1938) begrenzte Hitler Kerrls Befugnisse auf das „Altreich“; nach Kerrls Tod (Dezember 1941) ließ er dessen Amt unbesetzt. Er ließ die antikirchlichen NSDAP-Vertreter kirchliche Aktivitäten in den neuen Gebieten unterdrücken; sie beseitigten 1938 in Österreich alle Ordens- und Klosterschulen. Im September 1939 verbot Hitler jedoch alle NSDAP-Maßnahmen gegen die Großkirchen, damit sie seinen Krieg unterstützten. Diese riefen die Christen 1939 gemeinsam zum „Gehorsam gegen den Führer“, Gebet und Einsatz für den deutschen Sieg auf. Gauleiter Arthur Greiser erklärte die Kirchen im neugebildeten „Reichsgau Wartheland“ 1940 zu Religionsvereinen ohne staatlichen Rechtsschutz und enteignete sie bis auf reine Kulträume. Zwar protestierten die Großkirchen, dankten Hitler aber Ende Juni 1941 dafür, dass er die „christlich-abendländische Kultur“ vor dem „Todfeind aller Ordnung“, dem Kommunismus, gerettet habe. Dieser erklärte nun vor allem aufgrund deutlicher kirchlicher Proteste gegen die Euthanasiemorde vor Vertrauten öfter: Nach dem Krieg werde er das „Kirchenproblem lösen“ und die Großkirchen entmachten; das Christentum müsse „abfaulen wie ein brandiges Glied“. Daraufhin übertrug Bormann allen NSDAP-Gauleitern die Kirchenpolitik in den eroberten Gebieten und befahl ihnen, den Einfluss der Kirchen auf die „Volksführung“ endgültig zu brechen.[266]

Aufrüstungs-, Expansions- und Kriegskurs

Hitler mit Benito Mussolini auf der Münchner Ludwigstraße (1939)
Wie demokratische Regierungen der Weimarer Republik wollte Hitler außenpolitisch zunächst die im Versailler Vertrag von 1919 festgelegten deutschen Gebietsverluste und Rüstungsbeschränkungen revidieren, jedoch nicht bloß mit diplomatischen Vorstößen, sondern mit dem Risiko militärischer Konflikte. Öffentlich betonte er bis 1939 wiederholt seinen Friedenswillen; tatsächlich bereitete er seit 1933 erst die deutsche Aufrüstung und Kriegsfähigkeit, spätestens seit 1937 einen Angriffskrieg vor. Laut der Liebmann-Aufzeichnung erläuterte er der Reichswehrführung am 3. Februar 1933 die angestrebte kriegerische Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und nahm Polen schon als „Feindstaat“ ins Visier.

Im Oktober 1933 brach das NS-Regime Abrüstungsverhandlungen mit Großbritannien und Frankreich ab und veranlasste den Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund. Nach Hindenburgs Tod 1934 teilte Hitler der Generalität mit, dass Deutschland in fünf Jahren kriegsbereit sein solle. Er unterstützte einen nationalsozialistischen Putschversuch in Wien, bei dem der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet wurde. Als dieser Putschversuch aber letztlich scheitert, erklärte er jedoch, das deutsche Reich habe nichts mit der Angelegenheit zu tun und gibt auf. (Das rasche Nachgeben in dieser Phase ist nach Golo Mann bemerkenswert:[267] Es ist das einzige Mal zwischen 1933 und 1938, dass eine fremde Macht – Italien – ihm widerspricht und er aufgibt.)

Im März 1934 erhöhte Hitler den deutschen Wehretat über die Grenzen des Versailler Vertrags hinaus. Im September 1934 schloss er mit Polen überraschend einen zehnjährigen Nichtangriffspakt. Am 16. März 1935 führte er die im Versailler Vertrag verbotene allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Um Großbritannien in Sicherheit zu wiegen, wiederholte er am 21. Mai 1935 in einer „Friedensrede“ im Reichstag, die deutsche Marine strebe nur 35 Prozent der Tonnage der britischen Flotte an.[268] Am 18. Juni 1935 schloss Großbritannien mit Deutschland ein von Hitler angebotenes Flottenabkommen, um eine andernfalls eventuell noch stärkere deutsche Aufrüstung zu vermeiden.[269]

1936 kündigte Hitler den Vierjahresplan an. Dieser sollte in vier Jahren die deutsche Armee einsatzfähig und die deutsche Wirtschaft kriegsfähig machen.[270] Er wurde mit Mefo-Wechseln finanziert und trug zum deutschen Wirtschaftsaufschwung bei. Im März 1936 folgte die Rheinlandbesetzung. Beide Brüche des Versailler Vertrags nahmen die Alliierten hin. Das NS-Regime verhalf Francisco Franco im Spanischen Bürgerkrieg seit 1936 mit dem Einsatz der deutschen Legion Condor und völkerrechtswidrigen Bombenangriffen auf Städte wie Gernika zum Sieg.


Die Regierungschefs des Vereinigten Königreichs, von Frankreich, Deutschland und Italien beim Schluss des Münchener Abkommens am 30. September 1938, das Hitler die Annexion des Sudetenlandes gestattete, aber bereits im März 1939 mit der Zerschlagung der Rest-Tschechei gebrochen wurde
Am 5. November 1937 erläuterte Hitler vor dem Außenminister, dem Kriegsminister und den Oberbefehlshabern der drei Wehrmachtteile seine „grundlegenden Gedanken über […] unsere außenpolitische Lage“.[271] 85 Millionen Deutsche hätten ein „Anrecht auf größeren Lebensraum“, daher sei die „Lösung der Raumnot“ die zentrale Aufgabe der deutschen Politik. England und Frankreich seien dabei die beiden Hauptgegner. Am Schluss des mehr als zweistündigen Monologs nannte er als erstes Ziel die Niederwerfung der „Tschechei und gleichzeitig Österreich[s], um die Flankenbedrohung […] auszuschalten“. Damit hatte der Diktator seine Karten aufgedeckt und die beiden Nahziele deutscher Expansion genannt.[272] In der folgenden zweistündigen Diskussion erhoben die Generäle Bedenken nicht wegen eines Anschlusses Österreichs und einer Annexion der Tschechoslowakei, waren aber beunruhigt wegen Hitlers Ungeduld und befürchteten einen vorzeitigen europäischen Konflikt. Außenminister Neurath will Hitler im Januar 1938 davor gewarnt haben, „dass seine Politik zum Weltkrieg führen“ müsse. Hitler soll nur erwidert haben, „er habe keine Zeit mehr“.[273]

In der Blomberg-Fritsch-Krise (Januar/Februar 1938) trat Blomberg vom Amt als Reichskriegsminister zurück; Hitler entband Werner von Fritsch vom Oberkommando des Heeres (OKH) und übernahm das neugeschaffene Oberkommando der Wehrmacht (OKW) per Führererlass vom 4. Februar 1938.[274] Er sah sich dabei als idealen „Feldherrn“, der „mit Kopf, Willen und Herzen den totalen Krieg für die Lebenserhaltung des Volkes“ (Ludendorff 1935) zu führen habe und dies wie sein Idol Friedrich „der Große“, aber anders als Wilhelm II. nicht den Militärs überlassen dürfe. Vielmehr verlange der im „Kampf ums Dasein“ notwendige, kommende Vernichtungskrieg vom „‚Führer‘ des deutschen Volkes“ die Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte. Er müsse nicht nur allgemeine „weltanschauliche“ und politische Ziele, sondern auch die Strategien der einzelnen Feldzüge vorgeben.[275]


1938: Wagenkolonne Hitlers in Wien, vom Praterstern in die Praterstraße einfahrend
Mit militärischen Drohungen („Unternehmen Otto“) erreichte Hitler im März 1938 den „Anschluss“ Österreichs an das fortan „Großdeutsche Reich“. In Wien verkündete er am 15. März einer begeisterten Menge die „Vollzugsmeldung meines Lebens“: den „Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“.[276] Im September 1938 verlangte er von der Tschechoslowakei, das Sudetenland an Deutschland abzutreten, und drohte andernfalls mit dem Einmarsch deutscher Truppen (Sudetenkrise). Auf der Münchener Konferenz am 29. September 1938 sicherte Hitler deren Verbündeten Frankreich und Großbritannien den Bestand der übrigen Tschechoslowakei zu. Dafür gestanden ihm der britische Premier Neville Chamberlain und der französische Ministerpräsident Édouard Daladier die Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete zu, um den angedrohten Krieg zu verhindern. Hitler, der Krieg und Expansion für unaufgebbare Überlebensbedingungen seines Regimes hielt, fühlte sich mit dem Abkommen um die angestrebte Eroberung der ganzen Tschechoslowakei betrogen.[277]

Auf Hitlers Druck hin rief Jozef Tiso im März 1939 die Erste Slowakische Republik aus. Hitler ließ am 15. März das verbliebene tschechische Staatsgebiet von der Wehrmacht besetzen und am folgenden Tag als „Protektorat Böhmen und Mähren“ des Großdeutschen Reiches annektieren. Dieser Bruch des Münchner Abkommens sollte die „Germanisierung“ dieser Gebiete erleichtern: Ein Teil der Tschechen sollte assimiliert, der Rest als „rassisch unbrauchbar“ und „reichsfeindlich“ ermordet oder vertrieben werden.[278] Die Slowakei wurde zu einem Satellitenstaat Deutschlands. Am 23. März 1939 trat Litauen, das Hitler zuvor ebenfalls massiv unter Druck gesetzt hatte, das Memelland an Deutschland ab.[279]

Wegen Hitlers Vertragsbruch beendeten Frankreich und Großbritannien ihre bisherige Appeasement-Politik und schlossen mit Polen bis zum 13. April 1939 militärische Beistandsverträge. Schon am 11. April befahl Hitler dem Wehrmachtführungsstab, den Überfall auf Polen bis zum Herbst militärisch vorzubereiten.[280] Am 28. April kündigte er den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt sowie das deutsch-britische Flottenabkommen und verlangte den Anschluss der Freistadt Danzig an das Deutsche Reich. Am 23. Mai erklärte er den Generälen der Wehrmacht, diese Forderung sei nur ein Vorwand zur Eroberung von „Lebensraum“ für eine autarke Ernährung der Deutschen (siehe Schmundt-Protokoll).


Fotografie der Titelseite des Time Magazine, das Hitler im negativen Sinne zum Mann des Jahres 1938 wählte
Als Bedingung für einen Nichtangriffsvertrag mit den Westmächten, der diesen Polens Verteidigung erleichtern sollte, verlangte der sowjetische Diktator Josef Stalin von Polen eine Durchzugsgarantie für die Rote Armee, die dessen Regierung erwartungsgemäß ablehnte. Dann vereinbarte Stalin mit Hitler bis zum 24. August den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Damit wollte er Zeit zur Reorganisation der Roten Armee gewinnen, deren Offiziere er im Großen Terror (1937–1939) massenhaft hatte ermorden lassen. Im geheimen Zusatzprotokoll des Paktes vereinbarten beide Seiten die Aufteilung Polens und des Baltikums. In der Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern am 22. August 1939 gab er die „Vernichtung Polens = Beseitigung seiner lebendigen Kraft“ als sein Kriegsziel bekannt[281] und erklärte: „Wir werden den Westen halten, bis wir Polen erobert haben.“[282]

Das Time Magazine wählte Hitler 1939 zum „Mann des Jahres“ 1938, weil er zur größten Bedrohung der demokratischen, freiheitsliebenden Welt geworden sei.[283]

Herrschaft im Zweiten Weltkrieg (1939–1945)
Polenfeldzug
→ Hauptartikel: Polenfeldzug
Kurz nach Abschluss des Pakts mit Stalin forderte Hitler von Polen, den Polnischen Korridor und die polnischen Rechte in der Freien Stadt Danzig an das Deutsche Reich abzutreten. Die NS-Propaganda behauptete verstärkt angebliche Gräueltaten und Massaker von Polen an sogenannten Volksdeutschen und forderte ein Einschreiten dagegen. Seit dem 28. August stand für die deutsche Wehrmacht als Angriffstermin der 1. September fest. Am 31. August um 12:40 Uhr erteilte Hitler seine „Weisung Nr. 1 für die Kriegführung“. In der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1939 inszenierten in polnische Uniformen gekleidete SS-Männer einen Überfall auf den Sender Gleiwitz in Schlesien. Ab 4:45 Uhr beschoss das deutsche Linienschiff Schleswig-Holstein die polnischen Stellungen auf der Danziger Westerplatte. Mit diesem Angriff begann der deutsche Überfall auf Polen, durch den Hitler den Zweiten Weltkrieg entfesselte.

Am 1. September behauptete Hitler wahrheitswidrig im Radio und vor dem Reichstag, Polen habe Deutschland angegriffen und seit 5:45 Uhr werde „zurückgeschossen“. Frankreich und Großbritannien erklärten am 3. September Deutschland den Krieg gemäß ihren Bündnisverträgen mit Polen, jedoch ohne eigene Kampfhandlungen gegen Deutschland zu eröffnen. Am 18. September wurde die Masse der polnischen Truppen eingeschlossen, nachdem tags zuvor die Rote Armee mit ihrem Einmarsch in Ostpolen begonnen hatte. Warschau kapitulierte am 27. September. Hitler nahm hier am 5. Oktober eine Parade der 8. Armee ab. Einen Tag später kapitulierten die letzten polnischen Truppen nach der Schlacht bei Kock.


Parade am 5. Oktober 1939 in Warschau
Im Verlauf des deutschen Polenkriegs fielen etwa 66.000 polnische und 17.000 deutsche Soldaten.[284] Speziell aufgestellte Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Soldaten der Wehrmacht und Einheiten von Volksdeutschen ermordeten im Polenfeldzug rund 16.400, bis zum Jahresende rund 60.000 Polen, darunter etwa 7.000 Juden. Damit wollten sie möglichst viele der zwei Millionen polnischen Juden in das sowjetisch besetzte Ostpolen vertreiben. Ab Oktober 1939 erfolgten dann Deportationen von Juden in abgelegene polnische Gebiete. Sie wurden zwar im März 1940 nach örtlichen Protesten eingestellt, dienten aber als erprobtes Muster für umfassende Abschiebepläne der Folgejahre wie der (nach dem Westfeldzug undurchführbare) Madagaskarplan, deren erwünschte Folge die Vernichtung der europäischen Juden sein sollte.[285]


Erschießungen von polnischen Zivilisten durch ein deutsches Einsatzkommando im Oktober 1939
Am 17. September 1939 marschierte die Rote Armee gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt in Ostpolen ein. Nach dem Zusammentreffen von deutschen und sowjetischen Truppen in Brest-Litowsk am 22. September 1939 erfuhr Hitler, wie schlecht die sowjetischen Panzer seien. Die Niederlagen der Roten Armee im Winterkrieg gegen Finnland 1939/40 bestärkten Hitler in seiner Annahme, die Rote Armee sei ein leicht zu besiegender Gegner.

„Euthanasie“

Führererlass zur Ermordung behinderter Menschen, umschrieben mit „unheilbar Kranken“
Aller Wahrscheinlichkeit nach äußerte sich Hitler um das Jahr 1935 grundsätzlich positiv zur „Euthanasie“, ohne diese konkret zu planen.[286] Der Fall eines behinderten Kindes in Sachsen führte 1938 oder 1939 dazu, dass sich Hitler selbst bzw. die Kanzlei des Führers näher mit der Krankentötung beschäftigte. Zunächst wurde die Kinder-„Euthanasie“ vorbereitet.[287] Im Juli 1939 erteilte Hitler dem Reichsärzteführer Leonardo Conti dann den Auftrag, auch die „Erwachseneneuthanasie“ zu organisieren. Während aber Conti eine Reglementierung befürwortete, entschied sich Hitler, einem Vorschlag Philipp Bouhlers folgend, dazu, die Mordaktion ohne Rechtsgrundlage durch die Kanzlei des Führers organisieren zu lassen.

Im Oktober 1939 erging zu diesem Zweck ein informelles Schreiben Hitlers, das auf den 1. September, mithin auf den Kriegsbeginn, zurückdatiert war und Philipp Bouhler und Karl Brandt ermächtigte, die sprachlich als „Gnadentod“ verschleierte Ermordung von Psychiatriepatienten und behinderten Menschen zu organisieren.[288] Diese schriftliche Vollmacht legitimierte auf Drängen der Organisatoren Hitlers vorherigen mündlichen Auftrag für diesen Massenmord ohne ausdrückliches Gesetz, das er aus Geheimhaltungsgründen auch weiterhin verweigerte. Der staatliche Krankenmord wurde als „Euthanasie“ beschönigt und als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ ideologisch gerechtfertigt.[289]

Über die halbstaatliche Sonderverwaltung Zentraldienststelle T4 wurden Zwischenanstalten eingerichtet, in denen die Opfer aus dem ganzen Reich zunächst gesammelt wurden, bevor man sie zur Vergasung in eigene Tötungsanstalten transportierte. Wegen verschiedener Durchführungspannen erfuhren Vertreter der Großkirchen in Deutschland, darunter Bischof Clemens August Graf von Galen, von dieser „Geheimen Reichssache“ und wandten sich nach einiger Bedenkzeit vereinzelt öffentlich dagegen. Daraufhin befahl Hitler im August 1941 offiziell die Einstellung der „Aktion T4“. Die Morde wurden dezentral als „wilde Euthanasie“ (auch als „Aktion Brandt“ bezeichnet) nun vor allem mit Medikamenten und Nahrungsentzug fortgesetzt. In der „Aktion 14f13“ wurden außerdem kranke, alte oder „nicht mehr arbeitsfähige“ KZ-Insassen ermordet. Bei Kriegsende war ungefähr die Hälfte aller Anstaltsinsassen getötet worden. Die Ermordung der Behinderten diente den SS-Einsatzkommandos als Experimentierfeld für die späteren Massenmorde an Juden.[289] Allein im damaligen Reichsgebiet wurden fast 190.000 geistig und körperlich behinderte Menschen vergast, vergiftet, erschossen oder dem Hungertod überlassen; viele weitere Opfer gab es in den besetzten Gebieten. Gesamtschätzungen belaufen sich auf bis zu 260.000 Opfer.

Völkermord an den Sinti und Roma
→ Hauptartikel: Porajmos
Hitler teilte seit seiner Wiener Zeit die gängigen Stereotype des Antiziganismus. Er beurteilte die in Mein Kampf unerwähnten Roma implizit wie die Juden als „rassefremde Elemente“, die somit aus dem „Volkskörper“ „auszumerzen“ seien.[290]

Gemäß Himmlers Erlass vom 8. Dezember 1938 zur „endgültigen Lösung der Zigeunerfrage“ wurden die Roma seit Juni 1939 aus vom NS-Regime kontrollierten Gebieten nach Osteuropa deportiert. Im Polenfeldzug ab September 1939 begannen die Nationalsozialisten und ihre Helfer mit Massenmorden an ihnen. Bis zum Kriegsende ermordeten sie zwischen 100.000 und 500.000 Roma.[291] Hitler lehnte die Einberufung von Roma in die Wehrmacht 1940/41 ab und verbot Himmler 1942, „arische“ Roma von der Internierung in KZs auszunehmen. SS-Einsatzgruppen, Offiziere der Wehrmacht bei Racheaktionen für Partisanenanschläge oder KZ-Besatzungen führten die Massenmorde aus, besonders 1943/44 in den Gaskammern von Auschwitz.[292]

Der Porajmos war wie die Shoa ein rassistischer, auf Vernichtung zielender Völkermord. Direkte Mordbefehle Hitlers zu den Roma sind nicht bekannt. Seine Verantwortung steht jedoch wegen der rassistischen Gesamtplanung und Politik seines Regimes fest.[293]

Westfeldzug
→ Hauptartikel: Westfeldzug

Von Ribbentrop, Hitler, Göring, Raeder, von Brauchitsch und Heß vor dem Wagen von Compiègne, 22. Juni 1940
In seiner Ansprache vor den Oberbefehlshabern am 23. November 1939 kündigte Hitler an, „zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt“ Westeuropa anzugreifen.[294] Im „Unternehmen Weserübung“ besetzte die Wehrmacht vom 9. April bis 10. Juni 1940 zunächst das neutrale Dänemark und eroberte Norwegen. Vom 10. Mai bis 25. Juni okkupierte sie im Westfeldzug Luxemburg, Belgien, die Niederlande und zwang das mit Großbritannien verbündete Frankreich nach wenigen Wochen zur Kapitulation, nachdem sie in den Ardennen (Belgien, Nordfrankreich) die Maginot-Linie im sogenannten Sichelschnitt umgangen hatte.

Am 24. Mai entschied Hitler, in Übereinstimmung mit Rundstedt, aber im Widerspruch zur Meinung anderer Generäle, die angeschlagene Panzertruppe zu schonen und die Einschließung von Dünkirchen der Luftwaffe zu überlassen. Deswegen konnten während der „Operation Dynamo“ über 224.000 britische und fast 112.000 französische und belgische Soldaten über den Ärmelkanal evakuiert werden; Waffen und Kriegsmaterial mussten sie auf dem Kontinent zurücklassen.[295]

Am 22. Juni 1940 wurde im symbolträchtigen Wagen von Compiègne der Waffenstillstand mit dem besiegten Frankreich geschlossen. Damit erreichte Hitler den Gipfel seines Ruhmes bei den Deutschen. Generaloberst Wilhelm Keitel folgend, stilisierte die NS-Propaganda Hitler fortan zum „größten Feldherrn aller Zeiten“,[296] dessen Genie die nun so genannte „Blitzkriegstrategie“ erfunden und die raschen Siege bewirkt habe. Das entmachtete die Generalstäbe weiter, besonders das Oberkommando des Heeres,[297] und bestärkte Hitler darin, sein eigentliches Kriegsziel, die Vernichtung der Sowjetunion, in Angriff zu nehmen. Ein Feldzug gegen Russland sei, verglichen mit dem Feldzug im Westen, ein „Sandkastenspiel“, hatte er laut Speer am 21. Juni 1940 gegenüber Keitel und Alfred Jodl bemerkt.[298]

Sein Ziel, Großbritannien zur Anerkennung der deutschen Alleinherrschaft auf dem europäischen Festland und Duldung weiterer Eroberungen im Osten zu zwingen, verfehlte Hitler jedoch. Am 10. Mai 1940 war Winston Churchill, seit 1933 ein strikter Gegner der Appeasementpolitik, neuer britischer Premierminister geworden. Am 19. Juli 1940 lehnte er Hitlers öffentliches Waffenstillstandsangebot über die BBC umgehend und endgültig ab.[299] Die Luftschlacht um England (10. Juli bis 31. Oktober 1940) endete als militärisches Patt, war aber eine politische und strategische Niederlage für Hitler, dem es zum ersten Mal misslang, einem Land seinen Willen aufzuzwingen.[300] Daraufhin ließ Hitler im Frühjahr 1941 die Planungen für die Invasion Englands einstellen.

Am 31. Juli 1940 teilte Hitler dem OKW seinen Entschluss mit, die Sowjetunion bis zum Ural zu erobern, um danach Großbritannien zu besiegen und dessen Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika zuvorzukommen. Damit rechtfertigte er den Zweifrontenkrieg. Er befahl, diesen weiteren Angriffskrieg bis zum Frühjahr 1941 vorzubereiten.[301]


Benito Mussolini und Hitler in München, 1940
Italien war kurz vor der französischen Kapitulation im Juni 1940 Deutschlands Kriegsverbündeter geworden. Zusammen mit dem japanischen Botschafter Saburō Kurusu unterzeichneten Mussolini und Hitler am 27. September 1940 in Berlin den Dreimächtepakt zwischen Japan, Italien und Deutschland, der gegenseitigen Beistand bei der „Schaffung einer neuen Ordnung in Europa“ und „im großasiatischen Raum“ zusicherte. Die Vertragsbestimmungen sollten vor allem die USA von einem Kriegseintritt abhalten und eine starke Front gegen Großbritannien bilden, verfehlten aber diesen Zweck.[302]

Hitlers Versuche, Spanien und Frankreich in die Kriegführung gegen Großbritannien einzubeziehen, misslangen im Oktober 1940. Auf der Fahrt zur Begegnung mit dem „Caudillo“ Franco traf Hitler am 22. Oktober 1940 in Montoire-sur-le-Loir den französischen Außenminister Pierre Laval, einen Fürsprecher der Kollaboration mit Deutschland, zu einem informellen Gespräch.[303] Am nächsten Tag, beim Treffen mit Franco in Hendaye, rechnete Hitler mit dessen Anerkennung für die deutsche Hilfe im Spanischen Bürgerkrieg und schlug den sofortigen Abschluss eines Bündnisses und den spanischen Kriegseintritt für den Januar 1941 vor. Den spanischen Territorialwünschen in Nordafrika (Französisch-Marokko, Provinz Oran) wollte er aber mit Rücksicht auf Vichy-Frankreich nicht nachgeben. Außerdem konnte Deutschland Spanien nicht das liefern, was Großbritannien vermocht hatte: Kohle, Kautschuk, Baumwolle und den lebenswichtigen Weizen, wodurch Spanien im Sommer 1940 vor einem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt worden war.[304] Der vorsichtige Franco ließ sich daher nicht zu unbedachten Schritten, z. B. zu einem Angriff auf Gibraltar, bewegen und war nur zu einem Protokoll bereit, wonach der spätere Kriegseintritt erst noch gemeinsam festgelegt werden müsse. Damit war die Abmachung für Hitler praktisch wertlos.[305] Im internen Kreis „wütete“ er später über das „Jesuitenschwein“ und den „falsche[n] Stolz des Spaniers“.[306]


Philippe Pétain und Adolf Hitler am 24. Oktober 1940 in Montoire-sur-le-Loir
Foto: Heinrich Hoffmann
Am 24. Oktober traf Hitler sich mit Marschall Pétain in Montoire-sur-le-Loir. Hier verfolgte er die Absicht, wenn schon nicht eine Kriegserklärung Frankreichs an Großbritannien, so wenigstens die Verteidigung der französischen Kolonien in Nordafrika und Nahost gegen Angriffe der Forces françaises libres (Charles de Gaulle) und der Briten zu erreichen. Frankreich könne bei einer Neuverteilung afrikanischer Kolonien aus englischem Besitz voll entschädigt werden.[307] Pétain und Außenminister Laval bekräftigten, dass das Ausmaß der Zusammenarbeit Frankreichs mit Deutschland von großzügiger Behandlung und dem Erwerb von Kolonialgebieten bei einem Friedensschluss abhänge. Hitler bot Pétain nichts Konkretes an, und umgekehrt sagte Pétain eine aktive Unterstützung nicht präzise zu. „Das Ergebnis“, so Ian Kershaw, „war daher bedeutungslos“.[308] Henry Rousso weist darauf hin, dass die Konsequenzen dennoch weitreichend gewesen seien. Denn obwohl enttäuscht, verkündete Pétain am 30. Oktober 1940 in einer Rede,[309] er werde den „Weg der Kollaboration“ betreten und leitete den Wechsel von einer attentistischen Kooperation zu einer aktiven Zusammenarbeit seines Regimes mit der Besatzungsmacht ein. Er prägte dabei nicht nur einen neuen politischen Begriff, sondern führte auch einen Bruch herbei, der in der französischen und internationalen Öffentlichkeit negativ aufgenommen wurde.[310]

Hitler gab den Plan auf, Großbritannien aus dem Mittelmeerraum (Gibraltar, Malta, Ägypten) zu verdrängen. Seiner Ansicht nach waren die gravierenden Interessengegensätze zwischen Spanien, Frankreich und Italien im Mittelmeerraum nicht zu überwinden, sodass eine darauf ausgerichtete Strategie gegen Großbritannien nicht von großem Nutzen sein würde, diesen Gegner zu besiegen und derart auch die USA von einem möglichen Kriegseintritt im Jahr 1941 abzuhalten.[311] Für zwei weitere Optionen, einen strategischen Luftkrieg oder einen Belagerungskrieg gegen Großbritannien, fehlten die materiellen Voraussetzungen: eine Flotte schwerer Bomber beziehungsweise eine starke Marine. Die vierte Option, eine Invasion auf der britischen Insel, wurde von der Heeresführung favorisiert.[312] Nach Molotows Besuch in Berlin am 12. und 13. November 1940 und dem Unbehagen, das dieser Besuch bei ihm ausgelöst hatte,[313] war Hitler mehr denn je davon überzeugt, dass die „Vernichtung“ der Sowjetunion in einem Blitzfeldzug der einzige Weg sei, den Krieg zu gewinnen.[314] Er wies daher Brauchitsch und Franz Halder am 5. Dezember 1940 an, das Heer für einen Angriff auf die Sowjetunion Ende Mai nächsten Jahres vorzubereiten. Ein Sieg über die Sowjetunion, den Hitler aus weltanschaulichen und rassischen Gründen sowieso wollte, schien ihm der sicherste Weg für das Deutsche Reich zu sein, gegenüber den USA und Großbritannien unangreifbar zu werden. Hitler und das Regime „hatten 1940 nur eine Wahl: weiterzuspielen und wie stets den kühnen Schritt nach vorn zu wagen“.[315]

Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
→ Hauptartikel: Deutsch-Sowjetischer Krieg und Vernichtungskrieg
Hitler war 1940 vom Wirtschaftsministerium informiert worden, dass die im Hitler-Stalin-Pakt vereinbarten sowjetischen Rohstofflieferungen, die Deutschland bereits kaum begleichen konnte,[316] nicht ausreichen würden, um einen langen Krieg gegen Großbritannien und möglicherweise die USA zu führen. Seine Absicht, demnächst die Sowjetunion anzugreifen, um Deutschland durch die Aneignung sowjetischer Getreide-, Erz- und Ölvorkommen von Importen unabhängig zu machen, wurde in führenden Kreisen von Wehrmacht, Großwirtschaft und Ministerialbürokratie von vielen geteilt.[317] Hitlers Ziel war „ein blockadefestes Großimperium“ bis zum Ural und über den Kaukasus hinaus.[318]


Lagebesprechung im Hauptquartier des Oberbefehlshabers Walther von Brauchitsch (l. v. Hitler), 1940
Am 18. Dezember 1940 befahl er dem Wehrmachtführungsstab, den Angriff auf die Sowjetunion („Fall Barbarossa“) bis Mai 1941 streng geheim vorzubereiten. Sein eigener Beitrag dazu war, dass er die Sowjetunion in keiner öffentlichen Rede bis zum 22. Juni 1941 erwähnte.[319] In den Folgemonaten erließ er den Kommissarbefehl und weitere Befehle, die sowjetischen Führungseliten im Gefolge der Front zu ermorden und Partisanenaktionen durch Vergeltungsakte an Zivilisten zu bekämpfen. Vor über 200 höheren Offizieren der Wehrmacht erklärte er am 30. März 1941 in der Reichskanzlei, der bevorstehende Krieg sei ein rassenideologischer Vernichtungskrieg und ohne Rücksicht auf kriegsvölkerrechtliche Normen zu führen. Die Befehlshaber müssten jegliche persönlichen Skrupel überwinden. Keiner der Anwesenden nahm den Anlass wahr, Hitlers Forderungen nachher noch einmal zur Erörterung zu stellen.[320] Das OKW und das OKH gaben daraufhin entsprechende operative Befehle aus. Zudem sah die Blitzkriegsplanung vor, große Teile der sowjetischen Bevölkerung verhungern zu lassen. Überleben sollte nur, wer in den besetzten Gebieten für die Bereitstellung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln benötigt wurde. Die übrigen galten als unnütze Esser, die die deutsche Ernährungsbilanz belasteten (→ Hungerplan).

Mit einmonatiger Verzögerung infolge des Balkanfeldzuges überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion am 22. Juni 1941 auf Hitlers Befehl ohne offizielle Kriegserklärung. Das stattdessen in Moskau von Schulenburg übergebene „Memorandum“ behauptete ebenso wie die folgende NS-Propaganda eine akute Angriffsabsicht der Roten Armee, die Hitler rechtzeitig vorhergesehen habe und der er nun vorbeuge.[321] Letztere gab Hitler als Retter des Abendlandes vor „asiatischer Barbarei“ und kulturzerstörendem „(jüdischem) Bolschewismus“ aus. An dieser Präventivkriegsthese hielten viele Generäle der Wehrmacht weit über 1945 hinaus fest. Dagegen betonen Historiker Hitlers Absichten, die er 1927 im zweiten Band von Mein Kampf dargelegt und seit 1933 wiederholt bekräftigt hatte: Er wollte die Sowjetunion zur „Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis“ der Deutschen erobern, das fiktive, dort angeblich herrschende Weltjudentum vollständig vernichten[322] und die Bevölkerung der eroberten Gebiete entweder als Sklavenarbeiter ausbeuten oder ebenfalls vernichten. In Leningrad, das von September 1941 bis Januar 1944 von deutschen und finnischen Truppen belagert wurde, tötete die deutsche „rassistisch motivierte Hungerpolitik“ etwa 1,1 Millionen Menschen.[323]

Trotz siegreicher Kesselschlachten war der Plan Barbarossa bereits im August 1941 gescheitert, weil aus den Kesselschlachten große Teile des Gegners entkamen und sich neu formierten, der Überraschungseffekt abflaute, die deutschen Verluste zunahmen und Hitlers „Zickzack der Anordnungen“ zur Schwerpunktbildung bei der Heeresgruppe Mitte oder der Heeresgruppe Süd sich häuften.[324] Der deutsche Vormarsch geriet ab Oktober 1941 ins Stocken. Die Sowjetunion konnte einen Großteil ihrer Rüstungsproduktion östlich des Urals fortsetzen und neue Divisionen an ihre Westfront führen. Bei einer Konferenz in Berlin am 29. November 1941 berichtete Walter Rohland Hitler und dem OKW von der Überlegenheit der sowjetischen Panzerproduktion. Nach seinen Angaben sagte Rüstungsminister Fritz Todt dabei im kleinen Kreis: „Dieser Krieg ist militärisch nicht mehr zu gewinnen!“ Hitler habe gefragt, wie er ihn beenden solle, und eine politische Lösung als kaum möglich ausgeschlossen.[325]


Lagebesprechung im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd in Poltawa, 1. Juni 1942
Der Angriff auf Moskau (Beginn 2. Oktober) war ein letzter improvisierter Versuch Hitlers, die Niederlage der Sowjetunion vor dem Winter zu erzwingen. Aber ab Mitte Oktober ließen heftige Regenfälle und später strenger Frost (−22 °C) alle Operationen zum Stillstand kommen. Die Ausrüstung der deutschen Armee für den Winterkrieg und der Nachschub für die Heeresgruppe Mitte waren völlig unzureichend.[326] Trotzdem beharrte Hitler auf der Meinung, die Rote Armee befinde sich kurz vor dem Zusammenbruch, und wollte Moskau belagern und aushungern lassen. Am 5. Dezember musste der Vormarsch wegen arktischer Temperaturen von minus 40 bis 50 Grad Celsius und des mangelnden Nachschubs an Waffen, Verpflegung und Winterausrüstung 20 bzw. 30 km vor Moskau eingestellt werden. Am Tag darauf begann der sowjetische Gegenangriff mit 100 Divisionen, unter ihnen frische, für den Winterkrieg ausgerüstete Einheiten aus Fernost, der die Heeresgruppe Mitte zum Rückzug zwang.[327] Der Rückzug drohte in eine heillose Flucht umzuschlagen. In dieser gefährlichen Situation verbot Hitler am 15. und am 19. Dezember 1941 jeden weiteren Rückzug und erlaubte „nur dort eine Ausweichbewegung […], wo weiter rückwärts eine Stellung vorbereitet ist“.[328] Dieser Befehl trug „möglicherweise und vorübergehend zur Vermeidung einer Katastrophe von napoleonischen Ausmaßen bei“.[329] Hitler übernahm selbst den Oberbefehl über das Heer von Walther von Brauchitsch und war überzeugt: „Das bißchen Operationsführung kann jeder machen.“[330] Aber wäre Hitler flexibler gewesen, dann wäre die Ostfront bis Ende Januar 1942 wahrscheinlich mit weniger Verlusten an Menschenleben konsolidiert worden.[331] Die deutschen Verluste in der Schlacht um Moskau, 581.000 Soldaten, waren größer als die in Stalingrad und bei Kursk im folgenden Jahr. Die Sowjetunion verlor 1,8 Millionen Soldaten.

Vor Moskau wandte das Ostheer erstmals das Prinzip der „verbrannten Erde“ zur Deckung des Rückzugs an, das sowjetische Zivilisten und Kriegsgefangene im Rückzugsgebiet massenhaft dem Hunger- oder Kältetod preisgab. Nicht alle Befehle dazu stammten von Hitler oder Keitel, sollten aber „dem Führer entgegenarbeiten“.[332]

Die Niederlage vor Moskau gilt als eigentliche Zäsur des Weltkriegs, weil sie die Serie der deutschen Blitzkriege beendete.[333] Hitler erkannte dies laut Jodl sofort.[334]

Der Deutsch-Sowjetische Krieg „war genau der Krieg, den Hitler seit den zwanziger Jahren gewollt hatte“.[335] Als bisher verlustreichster Krieg der Menschheitsgeschichte kostete er etwa 28 Millionen Sowjetbürgern das Leben, darunter 15,2 Millionen Zivilisten.[336] Mindestens 4,2 Millionen Menschen starben hungers, unter ihnen auch 2,5 Millionen[337] der 3,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die im deutschen Gewahrsam an Unterernährung, Krankheiten oder Misshandlungen starben oder erschossen wurden.[338]

Holocaust
→ Hauptartikel: Holocaust und Holocaustforschung

Hitler-Porträt im KZ Mauthausen
Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die Eskalation zum Holocaust gingen Hand in Hand. Die vier Einsatzgruppen der SS sollten nach Heydrichs Instruktion vom 2. Juli 1941 kommunistische Funktionäre, „radikale Elemente“ (Partisanen) sowie „alle Juden in Partei- und Staatsstellungen“ erschießen. Bald wurden unterschiedslos alle auffindbaren Juden als angebliche Partisanen ermordet – zunächst überwiegend Männer, dann auch jüdische Frauen und Kinder.[339]

Am 16. Juli 1941 begrüßte Hitler gegenüber hohen NS-Vertretern den sowjetischen Partisanenkrieg: „… er gibt uns die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt.“[340] Er übertrug Himmler für diese Mordaufgabe die Führung über SS, Polizei und SD auch im Osten.[341] Himmler verstärkte die Einsatzgruppen sofort von 3.000 auf 33.000 Mann. Hitler ließ sich ab 1. August laufend über ihre Ergebnisse berichten. In den ersten fünf Monaten des Ostfeldzugs ermordeten sie ungefähr 500.000 Juden.[342]

Am 19. August folgte Hitler dem Vorschlag von Goebbels, nach den polnischen auch die deutschen Juden zum Tragen des Judensterns zu zwingen. Etwa am 17. September 1941 erlaubte er auf Drängen vieler Gauleiter, die Deportation der deutschen Juden nach Osten einzuleiten, die er bislang erst nach dem Sieg über die Sowjetunion beginnen lassen wollte. Damit reagierte er auf Alfred Rosenbergs Vorschlag, sich so an Stalins Deportation der Wolgadeutschen zu rächen.[343] Am 25. Oktober kam Hitler vor Vertrauten auf seine Ankündigung vom 30. Januar 1939 zurück, die Juden im Fall eines neuen Weltkriegs als Vergeltung für die deutschen Kriegsopfer zu vernichten: „Diese Verbrecherrasse hat die zwei Millionen Toten des Weltkrieges auf dem Gewissen, jetzt wieder Hunderttausende. Sage mir keiner: Wir können sie doch nicht in den Morast schicken! […] Es ist gut, wenn uns der Schrecken vorangeht, daß wir das Judentum ausrotten.“[344]

Am 12. Dezember 1941, dem Tag nach seiner Kriegserklärung an die USA, sagte Hitler nach Goebbels’ Notizen zu den in die Reichskanzlei geladenen Gau- und Reichsleitern: „Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein.“ Die Juden müssten die Opfer unter deutschen Soldaten im „Ostfeldzug“ mit ihrem Leben bezahlen.[345] Die Anwesenden, darunter Hans Frank, verstanden Hitlers Aussage als Aufforderung, die europäischen Juden nicht mehr abzuschieben, sondern im besetzten Polen zu ermorden und nach geeigneten Methoden dafür zu suchen.[346] Am 18. Dezember 1941 notierte Himmler in seinen Dienstkalender, Hitler habe auf sein Nachfragen das bisherige Vorgehen der Einsatzgruppen bestätigt und befohlen: „Judenfrage / als Partisanen auszurotten“.[347]

Hitler hatte Görings Auftrag an Reinhard Heydrich vom 31. Juli 1941 zur „Gesamtlösung der Judenfrage“ autorisiert und ordnete auch die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 an, auf der Heydrich seinen Auftrag erläuterte: 11 Millionen europäische Juden sollten nach Osten deportiert werden, angestrebt sei ihre „natürliche Verminderung“ durch Sklavenarbeit sowie „entsprechende Behandlung“ der Überlebenden. Damit umschrieb er die Ausrottungsabsicht in der Tarnsprache des NS-Regimes.[348] Für die „Räumung“ von bereits überfüllten Judenghettos für nachfolgende Deportierte wurden ab März 1942 im besetzten Polen drei Vernichtungslager in Betrieb genommen. Damit begann auch die Ermordung der Deportierten sofort bei ihrer Ankunft und durch Gaskammern. Davon waren Juden und Roma betroffen.


Ankunft von Juden aus Ungarn im KZ Auschwitz, Mai 1944
Ein schriftlicher Holocaustbefehl Hitlers wurde nicht gefunden und gilt als unwahrscheinlich.[350] Seine Aussage vom 12. Dezember 1941 deuten manche Historiker als Entscheidung, die Judenmorde auf ganz Europa auszuweiten, oder zumindest als wichtigen Eskalationsschritt des Holocaust. Diesen habe Hitler jedoch nicht allein eingeleitet und nicht an einem einzigen Datum befohlen.[351]

Zeitzeugen belegten mündliche Befehle Hitlers zur Durchführung von Judenmorden. So berief sich Staatssekretär Wilhelm Stuckart Ende Dezember 1941 – also wenige Wochen vor der sog. Wannseekonferenz zur systematischen Vernichtung der Juden –, als er wegen Anordnungen zu Judenmorden entlassen werden sollte, erfolgreich auf einen Führerbefehl. Heinrich Himmler sprach in Briefen und Reden an Untergebene wie den Posener Reden von 1943 wiederholt von Hitlers ihm auferlegten Befehl zur „Endlösung“ und hielt besondere Anweisungen Hitlers dazu in seinen Privatnotizen fest. Hitler selbst erklärte ab Januar 1942 öffentlich mehrfach, dass sich seine „Prophezeiung“ vom Januar 1939 nun „erfülle“. Folgerichtig bezeichnete Goebbels ihn in einem Tagebucheintrag vom 27. März 1942 als „unentwegten Vorkämpfer und Wortführer einer radikalen Lösung“ der „Judenfrage“[352] Hitler ließ sich am 7. Oktober 1942 persönlich von Odilo Globocnik über die Judenmorde in vier Vernichtungslagern unterrichten und im März 1943 den Korherr-Bericht über die Ermordung (umschrieben als „Evakuierung“ und „Sonderbehandlung“) von bis dahin 2,5 (tatsächlich über drei) Millionen Juden vorlegen. Auch die Tarnsprache ordnete er an. NS-Täter wie Rudolf Höß und Adolf Eichmann haben nach Kriegsende einen Befehl Hitlers vom Sommer oder Herbst 1941 zur Ausrottung der Juden bezeugt.[353] Auf dem Höhepunkt der Schlacht um Stalingrad erinnerte Hitler am 8. November 1942 im Münchener Löwenbräukeller zum vierten Mal in diesem Jahr an seine „Prophezeiung“ über die Juden. An dieser Stelle der Rede hatte er gerade alle Kompromisse und Friedensangebote an äußere Feinde ausgeschlossen. Das Ergebnis des „internationalen Weltkrieg“[s] werde „die Ausrottung des Judentums in Europa sein“.

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